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Geschichte

Ein herzliches Dankeschön geht an dieser Stelle an Helene Walch und Friedbert Pailer für die Bereitstellung der historischen Bilder und an Werner Engel, der bei der Recherchearbeit stets für sämtliche Fragen offen war.


Im Wandel der Zeit - Momentaufnahmen einer Vereinsgeschichte

Julian Zachmann im Januar 2011


„Im Wandel der Zeit“ – diese Assoziation begegnete den Mitgliedern und Freunden des Obst- und Gartenbauvereins Wilferdingen im Laufe der Jahre schon in vielerlei Hinsicht. Tatsächlich beschreibt sie die Veränderung und den Werdegang der Geschehnisse im „Lampenloch“, aber auch in der Remchinger Bevölkerung recht trefflich.


Im Wandel der Zeit befindet sich nicht nur ein Ort, sondern mit ihm auch die Menschen, die ihn besiedeln, die dort ihre Arbeit verrichten, ihre Freizeit verbringen und die sich dort heimisch fühlen. Vieles hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in den Teilorten Remchingens getan: Aus einem von der Landwirtschaft geprägten Ortsbild entstand das Zentrum einer kulturellen und äußerst vielfältigen „Wohlfühlgemeinde“.


Auf das, was sich in vielen Jahren Vereinsgeschichte seit 1924 im ganzen Ort getan hat und wie es ein lebhafter Verein geschafft hat, mit vereinten Kräften schwierige Zeiten zu überwinden, die Kindheitsschuhe abzulegen, sich zu verändern und gleichzeitig bis heute tief in der Bevölkerung verwurzelt zu bleiben, wollen wir deshalb an dieser Stelle einmal mehr zurückblicken.


Ausdauer

AUSDAUER UND MUSKELKRAFT war nicht nur bei der damaligen Heuernte angesagt. Selbst, wenn es Maschinen gab, konnten sich die Bauern diese oft nicht leisten. Stattdessen fuhr die ganze Familie mit dem Ochsengespann aufs Feld und brachte das Futter nach Hause. Freizeit oder gar Urlaub kannte man dabei nur selten. Deshalb sorgten Vereine für kulturelle Unterhaltung und Gemeinschaft an Sonn- und Feiertagen, aber auch für den Erhalt einer gepflegten Dorfstruktur und Landschaft.


Einen kleinen Einblick in das schwere und oft triste Leben der Wilferdinger Bürger Anfang des 20. Jahrhunderts haben wir uns bereits geschaffen. Mitten in dieser Zeit schlug auch die Geburtsstunde des Obst- und Gartenbauvereins Wilferdingen. Es war um 13 Uhr nachmittags, als der damalige Bürgermeister Wilhelm Friedrich Schäfer am Sonntag, 06. April 1924, 16 interessierte Bürger im Wilferdinger Rathaus begrüßen konnte. Eigentlich hatte er sich erhofft, dass sein Aufruf, auf Anregung des Bezirkskreisamtes Pforzheim einen Obstbauverein zu gründen, größeren Zuspruch finden würde. Im Protokoll heißt es daher „Dem Rufe folgten nur wenige, sodass anstatt dem Bürgersaal das Ratsschreiberzimmer genügte“.


Dennoch konnte man schließlich „den Mut fassen, zur Vereinsgründung zu schreiten. (...) Alle Anwesenden erkannten die Notwendigkeit dieses Vereins und stimmten der Gründung zu.“. Durch Zuruf wählten sie Straßenwärter Kurt Pailer, Goldschmied Gustav Rebmann und Goldschmied Karl Rebmann, die fortan als Vorsitzender, Schriftführer und Kassier, das junge „Sonntagskind“ großgezogen haben.


Somit war ein neues Stück Geschichte geschrieben: Als kleines Samenkorn entsprang unser Verein im wahrsten Sinne des Wortes aus der Wiege. Schnell aber begann er, zu keimen, Wurzeln zu schlagen und neue Triebe auszubilden.


Feldarbeit

Feldarbeit in den 30er-Jahren: Während in Amerika die ersten, durch gewaltige Dampfmaschinen betriebenen Mähdrescher den Markt eroberten, erfolgte die Getreideernte auf den klimatisch und geografisch ungünstiger gelegenen Feldern Deutschlands fast ausschließlich per Hand. Mit der Sichel wurden die noch feuchten Halme geschnitten, gebunden und anschließend zu Garben aufgestellt. Diese wurden später mit dem Fuhrwerk eingefahren und zu Hause im Winter ausgedroschen. Während die Bauern ohne Hilfsmittel noch über 100 Arbeitsstunden für eine Tonne Getreide brauchten, erledigt ein moderner Mähdrescher diese Arbeit heute in weniger als zwei Minuten.


Bereits im ersten Vereinsjahr veranstalteten die eifrigen Obstbauern im Saal des Gasthauses „Krone“ eine Obst- und Gemüseausstellung: Von 260 bunt dekorierten Tellern aus glänzte allerlei Obst und Gemüse aus eigener Ernte.


Mit Freude konnte Schriftführer Gottlieb Dreßler bei einer Mitgliederversammlung im Jahr 1926 verkünden, dass die Mitgliederzahl bereits vor dem „zweiten Geburtstag“ auf 73 Mitglieder angewachsen ist. Kein Wunder, denn schließlich boten zahlreiche regelmäßig durchgeführte Vortragsabende und Rundgänge mit ausgebildeten Obst- und Weinbauinspektoren des Landratsamtes neben fachlichen Informationen auch viel Gemeinschaft und Vergnügen, was im schweren Alltagsleben oft fehlte.


Bei einer großen Blumen- und Frühobstausstellung feierte der Verein 1929 mit seinen Gästen aus ganz Remchingen seinen fünften Geburtstag. „Otto Bräuninger aus Singen beschickte die Ausstellung mit einer großen Anzahl Rosen und sonstigen Blumen. Auch Frühhobst und andere Gartengewächse waren ausgestellt“, protokollierte der Schriftführer. Ebenso berichtete er von einem großen Konzert mit öffentlicher Tanzmusik und einer Gabenverlosung.


Festumzug

„MIT BLUMEN, DIE DIR FREUDE BRINGEN wird schöner unser Wilferdingen“: Unter diesem Motto beteiligte sich der OGV an einem Festumzug durch Wilferdingen. Den Traktor fuhr Wilhelm Kröner.


Mit zwei Reichsmark war der Jahresbeitrag für eine Mitgliedschaft recht erschwinglich, zumal er den Bezug eines monatlich erscheinenden Obstbauheftes beinhaltete. Zum Vergleich: Ein Industriearbeiter hatte damals einen durchschnittlichen Monatslohn von 179 RM und auf dem Wochenmarkt erhielt man für 2,29 RM ein Kilo Fleisch oder für 0,51 RM fünf Kilo Kartoffeln. Für ein Kilo Kaffee (7,38 RM) musste man übrigens mehr als sieben Stunden arbeiten!


Doch nicht immer lief alles so reibungslos und schwungvoll: Eine Karrenspritze, die vermutlich unter Beteiligung der Gemeinde angeschafft und im Hof des Gasthofs „Hirsch“ aufgestellt worden war, erregte bei der Hauptversammlung 1930 eine kleine Diskussion. Auch, wenn nicht jedes Mitglied die Vorteile der Obstspritzung einsehen wollte, wählte man Gottfried Dreßler zum ordnungsgemäßen Baumspritzer Wilferdingens.


Schwere Zeiten läutete die Weltwirtschaftskrise in den 30er-Jahren auch in Wilferdingen ein: Um den vielen arbeitslosen Mitgliedern dennoch eine Mitgliedschaft im Obstbauverein gewähren zu können, verkürzte die Generalversammlung 1931 deren Beitrag um die Hälfte, also auf eine Reichsmark.


Getreidegarben

GETREIDEGARBEN im Gewann Kai, unterhalb des heutigen Modellflugplatzes Wilferdingen.


Nun haben Sie bereits erfahren, wie unser Verein am 06. April 1924 im Wilferdinger Rathaus das Licht der Welt erblickte, wie er unter Mitwirkung engagierter Wilferdinger Obstbaufreunde zu wachsen begann und wie er bei einer großen Blumen- und Frühobstausstellung im Gasthaus „Krone“ seinen fünften Geburtstag mit vielen Freunden aus benachbarten Ortschaften und mit schwungvoller Tanzmusik feierte. Ebenso haben sie aber auch erfahren, dass es Verein und Mitglieder nicht immer leicht hatten: Auf der einen Seite waren die 30er-Jahre von der Wirtschaftskrise bestimmt, auf der anderen Seite hatten vor allem Landwirte und Viehbesitzer so viel zu tun, dass sie sich kaum eine Auszeit erlauben konnten.


Daran kann sich der Wilferdinger Ortshistoriker Friedbert Pailer noch gut erinnern, der sich auf unseren Aufruf nach Bildern und Anekdoten aus dem damaligen Dorfleben gemeldet hat. Schon als kleines Kind ist er mitten im heute historischen Ortskern um die alte Kirche aufgewachsen und hat das typische Dorfleben miterlebt. „So war das damals, wenn der Enkel den Opa besucht hat“, erinnert er sich zurück und zeigt auf ein vergilbtes Bild von 1936 aus dem Familienalbum. Darauf sieht man ihn als kleinen Jungen, der mit einer Blechbüchse die Hühner im Hof seiner Großeltern, Gustav und Lydia Schaller aus der Kleinen Kirchstraße, füttert. „Die Büchse habe ich heute noch!“, schmunzelt der Küfermeister und blättert weiter zu einem anderen Foto, das ihn, seinen Bruder Robert und Manfred Brügger zeigt, wie sie auf einem Holzhaufen sitzen und mit dem Hausschwein spielen. Viel mehr hatte die Freizeit damals wohl nicht zu bieten. So erinnert sich Pailer an eine Schulaufgabe, die er nicht erfüllen konnte, da sein Vater Großvieh hielt: „Wir sollten einen Aufsatz über unseren Urlaub schreiben...“


Hühner

Allerdings muss man sagen, dass die Menschen damit zufrieden waren, was sie hatten und auch, dass es zwar weit mehr Landwirte und Bauern gab als heute und nahezu jede Familie zumindest einen kleinen Gemüsegarten hatte, dass das Bild des mühseligen Landwirts auf der anderen Seite aber nicht pauschal auf die gesamte Wilferdinger Bevölkerung übertragbar war!


Trotzdem erfreuten sich alle Bürger – ob Landwirt, Handwerker oder Hausfrau – an einem arbeitsfreien Tag oder Abend, an dem sie Familie und Freunde im Dorf treffen konnten, an dem sie feiern und miteinander schwätzen konnten. Genau diese Eigenschaften erfüllt unser Obst- und Gartenbauverein noch heute. Aber damit noch nicht alles: Die Mitglieder brauchten schon damals kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie ihre oft kostbare Zeit anstatt zu arbeiten für den Verein einbrachten, denn sie lernen auch allerlei Wissenswertes rund um Natur, Umwelt, Obst- und Gartenbau und trugen dazu seit jeher noch zur Förderung einer räumlichen und kulturellen Naturlandschaft bei.


Heuholen

NICHT PAUSCHAL AUF DIE GANZE BÜRGERSCHAFT ÜBERTRAGBAR, aber dennoch immer wieder eindrucksvoll: Leopold und Johanna Dittler mit ihrer Tochter Dorothea beim Heuholen auf dem „Kelterberg“, 1938.


Wilferdingen in den Dreißigerjahren: Eine kleine Anekdote aus der Vereinsgeschichte


Keine leichte Aufgabe hatte Karl Pailer bei der Generalversammlung des Obst- und Gartenbauvereins Wilferdingen im Februar 1932. Der damalige erste Vorsitzende musste den dreißig anwesenden Mitgliedern im Gasthaus „Hirsch“ klar machen, wie sich die Wilferdinger Streuobstlandschaft erheblich verbessern ließe: Durch eine schier revolutionäre Obstbaumethode.


Doch zunächst ein paar Worte zur Vorgeschichte: Nachdem Pailer gemeinsam mit interessierten Baumbesitzern bereits im Vorjahr zahlreiche Rundgänge durch die Natur gemacht hatte, wusste er, dass das Landschaftsbild zunehmend von vergreisten, schlecht tragenden und oft sogar von fauligen „Baumruinen“ geprägt war. Natürlich gab es auch Ausnahmen.


Kartoffelhacken

KAUM FREIZEIT hatten unsere Vorfahren in den Dreißigerjahren. Stattdessen half die ganze Familie mit, die Felder zu bestellen, wie hier beim Kartoffelhacken.


Dennoch muss man aus heutiger Sicht wissen, dass die Menschen damals noch nicht über die heutigen Baumpflegemetoden und -mittel verfügten und die Verwahrlosung selten daran lag, dass die Bürger ihre ohnehin schon knapp bemessene Zeit für andere Dinge aufbringen mussten. Weiter hatten einige von ihnen noch nicht viel davon gehört, dass man den Baum schon bei der Sortenwahl an seine natürliche Umgebung anpassen muss und nicht umgekehrt. Fachleute wie Obstbauinspektor Pflock aus Karlsruhe unterstützten den Vorsitzenden Pailer und riefen zu einer radikalen „Abwurfaktion“ auf, bei der sie exemplarisch demonstrierten, wie man faule, falsch gewachsene und wachstumshemmende Äste richtig entfernt. Natürlich war dies nur der erste Teil der Schönheitskur für unsere Streuobstwiesen. „Wir hoffen und wünschen, dass auch die folgenden Pfropfarbeiten richtig ausge-führt werden, denn erst dann kann das Ziel erreicht werden, nämlich eine Verringerung und Verbesserung unserer Obstsorten“, notierte Schriftführer und Obstbaumwart Gottlieb Dreßler ins Protokollbuch.


Kaum jedoch hatte sein Kollege Karl Pailer das Wort „Pfropfarbeiten“ bei der besagten Versammlung in den Mund genommen, schon kam es zu heftigen Auseinandersetzungen unter den anwesenden Mitgliedern. Denn keiner von ihnen konnte mit dieser neumodischen Vorgehensweise, bei der man im Frühsommer einen zuvor fachgerecht vorbereiteten Ast eines Apfelbaumes (einen „Pfropfreiser“) an eine frische Schnittstelle des zu pfropfenden Apfelbaumes (an den „Pfropfkopf“) anbringt, die beiden Wachstumsschichten (in der Mehrzahl „Kambia“) miteinan-der verbindet und die Wundstelle mit Bast und Wachs sorgsam festigt und verschließt, etwas anfangen. Trotzdem war dies die einzige Möglichkeit, schlecht tragende Stämme mit einer neuen, resistenteren und der Umwelt besser angepassten Sorte zu retten. War nun die ganze Mühe Pailers umsonst, nur, weil das Pfropfen als „Zauberwerk“ galt?


Nein, denn der engagierte Obstbauexperte und zweite Vorsitzender Christian Rebmann erkannte den Ernst der Lage, setzte sich gegen die aufgebrachten Pfropfgegner durch und griff völlig uneigennützig in Eigenregie zu den Pfropfreisern. Während andere noch weiter skeptisch über die Vorteile des Pfropfens philosophierten, hatte er schon beinahe alle abgeworfenen Bäume mit neuen Sorten bestückt. Einzig Bast und Bindemetarial hatten die Besitzer zu bezahlen, was der Vereinskasse zu Gute kam.


Und wie reagierten die zweifelnden Gegner? Auch sie hatten endlich eingesehen, wie gut diese Maßnahme ihren Bäumen tat und griffen bald selbst zu Säge und Bindewachs. Die ersten Früchte von Rebmanns kleiner Revolution konnten bereits kurze Zeit später auf einem Festwagen beim Erntedankumzug durch Wilferdingen begutachtet werden.


Auch, wenn das dritte Reich nach und nach begann, tiefe Spuren in die Vereinsgeschichte zu reißen, sich der Vorsitzende „Führer“ nennen musste und nicht mehr alles an die große Öffentlichkeit gelangen durfte, konnten die Mitglieder bei der wegen der schwierigen Verhältnisse in Deutschland vorerst letzten Hauptversammlung im Jahre 1940 stolz sein. Stolz, auf das, was sie in den vergangenen 16 Jahren geschaffen haben. Stolz auf einen jungen Verein voller Tatendrang, der sich später nach einem gelungenen Neubeginn im Jahre 1947 wieder aufmachte, für den Erhalt der heimischen Streuobstwiese und des ertragreichen Hausgartens zu sorgen, auf ein „Sonntagskind“ (aufgrund der Gründung am Sonntag, 06.04.1924), das bei weitem nicht nur seinen Eltern große Freude bescherte, sondern Mitgliedern und Freunden auch noch heute viele lehrreiche, interessante und fröhliche Momente zu bieten hat.


Eschele

NICHT GANZ UNBETEILIGT waren Karl Pailer, Christian Rebmann und die Baumpfropfer an diesem schönen Ausblick vom „Eschele“ auf die neu errichtete B10 und das Wilferdinger Oberdorf Ende der Dreißigerjahre.


Ein Verein beginnt, Früchte zu tragen: Lehrgarten des Obst- und Gartenbauvereins Wilferdingen 1954 – 2009

Bernd Gegenheimer im Januar 2010


Eine Almendwiese wird zum Vereinslehrgarten


Die Geburtsstunde des Lehrgartens des Obst- und Gartenbauvereins Wilferdingen schlug im Jahr 1954. Heinrich Hofsäß, zu dieser Zeit Kassier des Vereins und engagierter Hobbyobstbauer, bemühte sich, ein Grundstück von der Gemeinde Wilferdingen zum Anlegen eines vereinseigenen Obstlehrgartens zu bekommen. Dieses Vorhaben wurde von der Gemeindeverwaltung unter Bürgermeister Karl Zachmann befürwortet, sodass der Verein eine gemeindeeigene Wiese im Gewann „Lampenloch“ in Erbpacht bekam.


Dieses Grundstück mit seiner Westhanglage weist einen Merkelboden auf und liegt auf ca. 190 Meter über Normalnull. Es ist auf der Ost-, Süd- und Westseite mit Hochwald umgeben, nach Norden steigt das Gelände an.


Der damalige Kreisfachberater, Obstbauinspektor Ernst Ege, ein unermüdlicher Kämpfer für den Erhalt und die Erweiterung des Obstbaus wie auch der Gartenkultur, stellte einen entsprechend ausgewählten Sortenspiegel für diesen Lehrgarten zusammen. Unter seiner Anleitung konnten dann 1956 zusammen 32 Apfel- und Birnbäume vom Typ „Viertelstamm auf Sämling“ gepflanzt werden. Dieser Baumtyp wurde in dieser Zeit vielfach in Obstanbaugebieten angebaut, da die Pflege und Beerntung dieser Bäume wirtschaftlicher war als bei Hoch- oder Halbstämmen. Aber schon nach dem ersten Winter mussten gleich zwölf dieser Bäume, die den Wühlmäusen zum Opfer fielen, ersetzt werden, was dieses Gelände als ein bevorzugtes Gebiet für diese Nager deutlich macht. Die Kronenpflege führten fachkundige Verwaltungsmitglieder des Vereins durch. Pflanzenschutzmaßnahmen wurden nur sporadisch vorgenommen und das Gras noch mit der Sense gemäht.


Baumbestand

Baumbestand vor der Umgestaltung


„Nichts ist beständiger als der Wandel“ – in diesem Sinne wurde im Spätjahr 1989 unter Federführung des amtierenden 1. Vorsitzenden Franz Reindl mit vielen Helfern der Vereinsgarten umgestaltet


Ziel war es, den Mitgliedern ortsnah einen zeitgemäßen Obstanbau mit kleinkronigen Bäumen veranschaulichen zu können. Dies vor allem, um den Interessierten mit kleineren Hausgärten einen sortenreichen Obstanbau zu ermöglichen


Für die empfindlicheren schlanken Spindeln mussten die Pflanzstreifen mit geeignetem Boden verbessert und es musste ein stabiles Gerüst erstellt werden. Danach konnten 56 Bäume mit 40 Apfelsorten auf M9 und 6 Bäume mit Birnensorten auf Quitte A angepflanzt werden. Diesen Sortenspiegel stellten die Kreisfachberater des Landratsamtes Enzkreis, die Herren Obstbaumeister Emil Kammerer und Helmut Weber, zusammen.


Neuanlage

Neuanlage im Vereinsgarten


Von diesen Baumtypen war im Verein noch wenig Erfahrung vorhanden, sodass eine sachliche Pflege nicht durchgeführt werden konnte. Eine gute Entwicklung dieses Bestands war daher nicht gegeben.


Im Jahr 1994 übergab Heinrich Hofsäß die Verantwortung für die Pflege des Baumbestandes an den engagierten Hobbyobstbauer Bernhard Gegenheimer. Es war für ihn eine Herausforderung, für diese Bäume eine standortgerechte Kulturführung zu entwickeln


Die Bewirtschaftung wurde nach den Richtlinien der Integrierten Produktion IP durchgeführt. Es kamen nur nicht-bienengefährliche B4 Insektizide und Fungizide ohne Wasserschutzgebietsauflage W zur Anwendung. Der Bodenpflege und -verbesserung wurde große Aufmerksamkeit geschenkt. Die Bäume entwickelten sich nun besser, die Erntemengen und die Qualität der Früchte waren zufriedenstellend.


Ertragszustand

Neuanlage im Ertragszustand


Durch neue gesetzliche Vorgaben wurden Pflanzenschutzmittel, die bisher zur Anwendung kamen, zunehmend eingeschränkt und das vor allem im nicht-erwerbsmäßigen Obstbau. Dazu kam noch die inzwischen erlassene Wasserschutzzone für die Seewiesenquellen, in der das Vereinsgelände liegt, die weitere Einschränkungen in der Anwendung von Dünge- und Pflanzenschutzmittel mit sich brachte. Auch waren interessierte Mitglieder nicht bereit, die eingesetzten Pflanzenschutzmittel anzuwenden.


Um auf diese Einflüsse Rücksicht nehmen zu können, musste eine entsprechende Bewirtschaftungsform erarbeitet werden, die den gesetzlichen Vorschriften genügt und den Vorstellungen der Hobbyobstbauer entgegen kam.


Auch außergewöhnliche Witterungsabläufe zeigten die vorhandenen Schwachstellen sehr deutlich auf. So löste der am 26. Dezember 1999 tobende Orkan „Lothar“ in diesem Obstbaumbestand den Befall des Ungleichen Holzbohrers (eine Borkenkäferart) aus, dem zahlreiche Bäume zum Opfer fielen. Nach einschlägigem Studium musste festgestellt werden, dass nur immunschwache Bäume befallen werden, was auch für alle pilzlichen Rindenerkrankungen zutrifft. In dem sehr nassen Jahr 2002 mit allgemein im Obstbau starkem Schorfbefall, wie auch in dem sehr trockenheißen Sommer 2003 zeigte sich, dass die schon angepflanzten resistenten Sorten mit diesen extremen Witterungsbedingungen am besten fertig wurden.


Aufgrund der genannten Einflüsse und Erfahrungen stellte man die Bewirtschaftung auf eine naturnahe Bewirtschaftung um.


Jetzt zeigte sich auch die Schorfempfindlichkeit verschiedener Apfelsorten, die bisher so nicht beobachtet werden konnte. Die neue Leitlinie musste lauten: „ Die Apfel- und Birnensorten dem jetzt angewandten Pflanzenschutz anpassen und nicht wie bisher den Pflanzenschutz den Obstsorten anpassen.“


Ab diesem Zeitpunkt wurden nach den gemachten Beobachtungen und Erfahrungen auf mehrere Jahre verteilt die Obstsorten, die nicht in dieses Konzept passten, ausgetauscht. Mit eingeschlossen waren auch frühreife und für Vogelfraß anfällige Sorten. Ein für den Standort angepasster Sortenspiegel entstand.


Zusammenfassung


Die seit 1994 eingeleiteten Maßnahmen zeigten, dass der eingeschlagene Weg in die richtige Richtung führte. Die gemachten Erfahrungen führten zu den notwendig gewordenen Korrekturen. Standortbedingte Probleme sind nach wie vor der schlechte Luftaustausch, was die Regenfleckenkrankheit begünstigt, und ein starker Vogelfraß bei inzwischen allen Sorten.


Für die Zukunft werden weitere Verbesserungen in allen Bereichen notwendig sein, um in der naturnah bewirtschafteten Obstanlage des OGV Wiferdingen einen sicheren Obstanbau zu gewährleisten. Dazu gehören auch ein lockerer, gut belichteter Kronenaufbau, bei dem die Basisäste ab einer Höhe von ca. 80 cm angeordnet sind und die jährliche Kontrolle bzw. das Fangen von Wühlmäusen.


Ziel ist es weiterhin, den interessierten Mitgliedern und Hobbyobstbauern begründete und sachliche Empfehlungen geben zu können.